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23.10.2020
Vereisung in der Luftfahrt - Teil 3: Raureif und Ice Crystal Icing
In den vorangegangenen Parts (Teil 1 und Teil 2) haben wir gelernt, dass sich Eisansatz am Flugzeug vor allem dann bildet, wenn dieses durch eine Luftschicht mit flüssigem Wasserpartikeln fliegt, deren Temperatur unter dem Gefrierpunkt liegt. Heute blicken wir auf zwei Vereisungsprozesse, deren Bildung auf dem festen Aggregatzustand von Wasser fußt: Eiskristalle.

Raureif entsteht als weißer, kristalliner, federartiger Eisbelag durch Resublimation des Wasserdampfes (unmittelbarer Übergang vom gasförmigen in den festen Aggregatzustands) auf der Außenhaut von Luftfahrzeugen, wenn deren Temperatur unter dem Reifpunkt (siehe Glossareintrag zum Reifpunkt) der Luft liegt. Dieser kann sich an den Flugzeugen - überwiegend in der kalten Jahreszeit - durch Ausstrahlung bilden, wenn die Oberfläche gegenüber der Lufttemperatur unterkühlt ist. Das ist häufig der Fall, wenn im Winter ein Flugzeug über Nacht außerhalb einer schützenden Halle, z.B. auf dem Vorfeld, abgestellt worden ist. Dann setzt sich der Wasserdampf der Luft an kalten Oberflächen in Form von Eiskristallen fest. Dieses Phänomen ist auch jedem Autofahrer im Winter geläufig, wenn man frühmorgens vor dem Weg zur Arbeit erst noch die Scheiben mühsam freikratzen muss. Aber auch Nebelfrostablagerungen, die sich aus unterkühlten Wassertröpfchen bei Nebel unter dem Gefrierpunkt bilden, können Raureif auf Oberflächen hervorrufen. Raureif kann auch dann entstehen, wenn das Flugzeug aus größeren Höhen in eine warme, feuchte Luftschicht sinkt. Dabei können die Cockpitscheiben sehr schnell vereisen, sodass keine Sicht nach außen mehr besteht.

Raureif haftet schlecht am Flugzeug und wird nicht sehr dick. Vor dem Flug ist trotzdem eine Enteisung erforderlich, da er insbesondere die laminare Strömung über den Tragflächen erheblich beeinträchtigen kann. Gerade beim Start kann das fatale Folgen haben. Außerdem könnte nicht entfernter Reif eine sehr gute Grundlage für spätere Vereisung in der Flugphase bilden.

Erst in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten wurde die Vereisungsgefahr durch Eiskristalle in Reiseflughöhe - also sehr großen Höhen - unter dem Thema "Ice Crystal Icing" etwas genauer unter die Lupe genommen. Grundsätzlich geht man davon aus, dass unter einer Lufttemperatur von -40 Grad mit keinerlei Vereisung mehr zu rechnen ist. Die Luft ist einfach zu kalt, um überhaupt noch unterkühlte Wassertröpchen aufnehmen zu können. In Reiseflughöhe, die etwa zwischen 9 und 12 Kilometer nahe der Tropopause liegt, ist die Temperatur nicht selten im Bereich um oder unter -55 Grad. Das stellt zunächst keine Gefahr dar. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass durch die Reibung der Luftteilchen am Flugzeug Wärme entsteht, die die Temperatur auf der Außenhaut des Flugzeuges erhöht. Diese Temperatur, die dem Piloten im Cockpit angezeigt wird, ist die sogenannte "Total Air Temperature".

Bei Untersuchungen hat man festgestellt, dass vor allem Bereiche mit sehr kleinen Eiskristallen in hohen Konzentrationen innerhalb und in der Nähe von konvektiven Wettersystemen existieren. Dies tritt am häufigsten in tropischen Breiten auf, in denen diese Systeme am umfangreichsten sind. Die gebildeten Eiskristalle können sich in den großen Höhen einige Zeit halten nachdem die aktive Konvektion, die sie erzeugt hat, zu zerfallen begonnen hat. Sie sind mit etwa 40 Mikrometern Durchmesser extrem klein und selbst bei hohen Konzentrationen tagsüber kaum visuell erkennbar. Das Hauptrisiko für hohe Eiskristallkonzentrationen besteht windabwärts von der sichtbaren Ambossform einer Gewitterwolke oder auch in der Nähe von Overshooting Tops (kuppelartige Ausbuchtungen an der Oberseite einer Gewitterwolke).

Fliegt das Flugzeug nun durch solch eine Schicht, dann kann sich die Total Air Temperature dem Gefrierpunkt annähern, wodurch die gefrorenen Eiskristalle durch Reibung wieder zu unterkühlten Wassertropfen werden. Diese können dann wieder an exponierten Stellen des Flugzeuges ansetzen und Vereisung hervorrufen. Das passiert vor allem an relativ warmen Stellen wie dem beheizten Triebwerkseinlauf, den Schaufeln oder dem Spinner. Hier ist es noch relativ unproblematisch, da es durch die Rotation und die Bewegung des Triebwerkes abbricht und wieder schmilzt. Wenn sich das Eis jedoch in tieferen Regionen des Kompressors absetzt, kann dies zu einem Leistungsverlust oder bis zum Abschalten des Triebwerks führen. In der beigefügten Grafik ist eine schematische Darstellung eines Triebwerkeinlaufes mit potentiellen Bereichen der Eisaggregation in den Kompressorbereichen dargestellt. Der Pilot kann bei frühzeitigem Erkennen dagegen arbeiten, indem er Schub herausnimmt und damit die Temperatur im Triebwerk senkt oder die permanente Zündung einschaltet.

M.Sc.-Met. Sebastian Altnau

Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 23.10.2020

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