Thema des Tages
4. Juli 2025 – die Flutkatastrophe in Texas
Einige wetterbedingte Großereignisse kündigen sich oft mit Pauken und Trompeten an. Sie sind schon Tage vorher auf den Wetterkarten zu erkennen und werden mit ausreichend Vorlauf über diverse Medien kommuniziert, sodass sich die Bevölkerung rechtzeitig darauf vorbereiten kann. Es gibt jedoch Ereignisse, die sich nur allmählich aufbauen und bei denen das Potenzial für ein Großereignis nur sukzessive zunimmt. Diese Ereignisse sind deshalb so schwer vorherzusagen, da sie von unzähligen Parametern (Eigenschaften der Luftmasse, vorherrschende Windrichtung, Lage/Zugbahn/Intensität eines Tiefs, Orografie der Umgebung, etc.) abhängen. Fehlen einer oder mehrere dieser Parameter, wird aus dem meteorologischen Großereignis schnell eine überschaubare Warnlage ohne große Auswirkungen. Diese Ereignisse sind aus der Sicht eines Vorhersagers meist sehr undankbar, da das endgültige Ausmaß oft erst kurz vorher erkennbar ist.
Die Sturzflut in Kerr County, die am 4. Juli 2025 mindestens 129 Menschen in den Tod riss, war ein solches Ereignis, das sich nur allmählich aufbaute. Es wurde von den Meteorologen vor Ort rechtzeitig erkannt und bewarnt, ging dann aber mit einer unglaublichen Gewalt auf die Region nieder und sorgte für unermessliches Leid. Die Anfänge dieser Sturzflut waren weit entfernt vom eigentlichen Unglücksort zu finden. In diesem Fall war es Tropensturm BARRY, der als schwaches, aber regenreiches System den westlichen Golf von Mexiko in Richtung Südtexas überquerte, sich dort aufgrund des Landgangs rasch abschwächte und schließlich formal auflöste. "Formal" bedeutet hierbei, dass das Nationale Hurrikanzentrum keine Warnungen zu BARRY mehr ausgab.
Einige Tropenstürme gehen an Land und schwächen sich dort ab, können aber weiterhin eine zyklonale (Nordhalbkugel: gegen den Uhrzeigersinn) Rotation um das ehemalige Zentrum aufrechterhalten. Hierfür sind periodisch einsetzende Konvektionsschübe von Nöten, die zentrumsnah auftreten. Vereinfacht heißt das, dass immer wieder kräftige Gewitter um das Zentrum des ehemaligen Tropensturms hochschießen und dabei durch Kondensation und Wolkenbildung Unmengen an latenter Wärmenergie freisetzen. Diese immer wieder einsetzende Energiezufuhr hält die Zirkulation des Systems aufrecht, auch wenn der Tropensturm über Land zieht. Dafür müssen sich die Reste des Sturms in einer sehr feuchten und labil geschichteten Luftmasse befinden. Im Fachjargon wird nun nicht mehr von einem "Tropensturm", sondern von einem sogenannten "mesoskaligen konvektiven Wirbel", engl. "Mesoscale Convective Vortex" (MCV), gesprochen. Solch ein Wirbel kann eine Lebensdauer von mehreren Tagen haben. Dies war nun auch mit den Resten von BARRY der Fall. Nicht nur die üppige Feuchte des ehemaligen Tropensturms, sondern auch der beständige Zustrom feuchter Luftmassen vom Golf von Mexiko sowie hochreichende Feuchte des zu diesem Zeitpunkt über dem Pazifik vor der Westküste Mexikos tobenden Hurrikans FLOSSIE ließen die Feuchtewerte in weiten Bereichen von Texas auf Rekordwerte steigen.
In Abbildung 1 ist einerseits die grobe Verlagerung des MCV (blau) bis zum 4. Juli eingezeichnet, aber auch der Zustrom feuchter Luft vom Golf von Mexiko (hellgrüne Pfeile) und vom Pazifik (dunkelgrüne Pfeile). Rot gestrichelt ist eine Region hervorgehoben, die sich "Texas Hill Country" nennt und bekannt ist für extreme Sturzflutereignisse. Im Grunde wird dort die feuchte Luftmasse vom Golf von Mexiko von Süden kommend an der Orografie gehoben und kann sich abregnen, wobei die Regenmengen aufgrund der vorhandenen üppigen Feuchte immer wieder extreme Werte erreichen. So geschehen am 4. Juli.
An diesem Abend bildete sich über Texas ein sogenannter "low level jet" aus, welcher die feuchte Luftmasse vom Golf sehr rasch und fokussiert nach Norden führte. Dort traf die Luftmasse auf die Orografie des Texas Hill Country. Der nach Norden geführte Feuchtegehalt wies für die Jahreszeit teilweise Rekordwerte auf. Die Folge war ein rasches Aufsteigen der Luftmassen mit der Entwicklung hochreichender intensiver Gewitter.
Zu alle dem kam noch der MCV (ehemals TS BARRY) ins Spiel, der zu dem Zeitpunkt nördlich des Texas Hill Country nach Osten zog und für zusätzliche Hebung sorgte. Die extrem feuchte Luftmasse wurde nun nicht nur entlang der Orografie gehoben, sondern auch durch den MCV, wodurch gewaltige Gewittercluster entstanden. Diese gingen über mehrere Stunden hinweg zum Teil mit Regenraten von über 100 l/qm pro Stunde einher und sorgten aufsummiert für extreme Niederschlagsmengen und Überschwemmungen. Flusspegel stiegen innerhalb kürzester Zeit um mehrere Meter an und ließen kleine Bäche und Flussläufe zu reißenden Fluten werden.
Abgesehen von den unzähligen anderen Faktoren, die zu diesem Unglück führten, war der meteorologische Teil sicherlich als extrem zu bezeichnen. So fielen die Regenmengen teils mit einer Wiederkehrzeit von mehr als 1000 Jahren. Dennoch wurde frühzeitig von verschiedenen Seiten der NOAA auf das sich allmählich aufbauende Extremereignis hingewiesen. Als der Regen einsetzte und sich die Flutwelle in Bewegung setzte, nahm die Katastrophe mitten in der Nacht ihren unbarmherzigen Lauf und überraschte unzählige Menschen im Schlaf. Am heutigen Sonntagmorgen (Ortszeit in Texas) besteht im südlichen zentralen Texas, etwas nördlich von Kerr County, eine ähnliche Wettersituation. Derzeit kommen stündliche Regenraten von 50 bis 100 l/qm vor. In der Nähe des San Saba Rivers fielen innerhalb von sechs Stunden bereits 100 bis 220 l/qm Regen. Bleibt zu hoffen, dass es nicht erneut zu solch furchtbaren Sturzfluten kommt.
Diplom-Meteorologen J. und H. Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 13.07.2025
Copyright (c) Deutscher Wetterdienst