Thema des Tages
06.11.2025
Wenn die Küstengebiete in den Schneemassen versinken
Wenn die Küstengebiete in den Schneemassen versinken
Höchsttemperaturen von bis zu 21 Grad und vielerorts reichlich Sonnenschein erinnern eher an den Altweibersommer als an den nahenden Winter. Doch der Winter ist nicht mehr allzu fern und damit auch ein spannendes Wetterphänomen, das in Deutschland bei bestimmten Wetterlagen besonders entlang der Ostsee beobachtet werden kann. Die Rede ist von einem Lake-Effect-Snow Ereignis. Das letzte größere Ereignis liegt schon einige Jahre zurück. Im Februar 2021 sorgte der Zustrom von arktischen Luftmassen in Verbindung mit der vergleichsweise warmen Ostsee für regionale Schneemassen entlang der Ostsee. Vor allem auf Rügen kamen innerhalb von 48 Stunden stellenweise über 40 cm Schnee zusammen. Dabei fielen lokal eng begrenzt sogar über 30 cm Schnee innerhalb eines Zeitraums von 12 bis 24 Stunden. Diese Schneemengen sind im Gegensatz zu einigen historischen Ereignissen in Nordamerika geradezu homöopathisch. Im November 2014 kam es auf der windabgewandten Seite des Lake Erie in Buffalo zu einem Ereignis, bei dem innerhalb von nur zwei Tagen in einem schmalen Streifen 150 cm Schnee zusammenkamen. Die Folge waren 14 Todesfälle, Stromausfälle sowie Lebensmittel und Versorgungsprobleme.
Damit sich ein signifikantes Lake-Effect-Snow Ereignis ausbildet, benötigt es eine sehr kalte Luftmasse arktischen Ursprungs mit Temperaturen in 1,5 Kilometer Höhe von unter -14 Grad und eine schwach ausgeprägte Windscherung. Dabei ist vor allem die Windrichtungsänderung in der unteren Troposphäre wichtig, damit sich gut organisierte Schneefallbänder bilden können. Diese Schneefallbänder entstehen aber nur, wenn auch der See oder Ozean ausreichend groß ist. Die arktische Luftmasse braucht nämlich seine Zeit, um genügend Feuchtigkeit aufnehmen zu können, damit es in der unteren Troposphäre zu stärkerer Konvektion und zur Ausbildung der Schneefallbänder kommen kann. Deshalb ist eine Seelänge von mindestens 100 Kilometer parallel zur Windrichtung hilfreich. Außerdem ist es für große Schneemengen wichtig, dass die Windrichtung über längere Zeit konstant bleibt. Damit werden immer wieder die gleichen Küstengebiete von kräftigen Schneefällen getroffen. Befindet sich nun noch ein Gebirge auf der windabgewandten Seite des Sees, kann der kräftige Schneefall durch Staueffekte weiter intensiviert werden.

In Abhängigkeit der Windströmung ergeben sich dabei verschiedene Wolkenmuster, die in Satellitenbildern erkennbar sind. Weht ein kräftiger Wind mit einer geringen Windrichtungsänderung von weniger als 30° über eine Seeoberfläche, bilden sich zur Windrichtung parallel angeordnete Schneefallbänder aus, die lokal eng begrenzt im Küstenbereich für große Schneemengen sorgen können (Bild 1 a). Sind die Winde dagegen eher schwächer ausgeprägt, kommt es häufig im Zusammenspiel mit dem Landwind zu einer küstennahen Konvergenzlinie mit kräftigen Schneefällen, die im weiteren Verlauf auch die Küstenregion erreichen kann (Bild 1 b). Ist der Wind dagegen sehr schwach ausgeprägt und sind die Temperaturunterschiede zwischen der Seeoberfläche und 1,5 Kilometer Höhe besonders stark ausgeprägt, bildet sich ein mesoskaliger Wolkenwirbel aus, der sich im weiteren Verlauf zur Küste verlagern und dort für intensive Schneefälle sorgen kann (Bild 1 c). Diese Form ist aber bei uns sehr selten. Sie wird etwas häufiger über den Großen Seen in Nordamerika beobachtet. Dort können sehr kalte, arktische Luftmassen ungehindert nach Süden strömen. Zudem sind bei uns arktische Kaltlufteinbrüche im Winterhalbjahr auch häufig mit einer kräftigeren Strömung verbunden.

Da es sich beim Lake-Effect-Snow um ein sehr kleinräumiges Phänomen handelt und die komplexen Wechselwirkungen zwischen Ozean und der atmosphärischen Grenzschicht noch nicht vollständig verstanden sind, haben auch hochaufgelöste Vorhersagemodelle häufig Schwierigkeiten bei der Bestimmung der betroffenen Region und der Intensität eines solchen Ereignisses. Zudem gibt es über den Seen kaum Messungen, die in eine Vorhersage miteinfließen. Auch das Monitoring gestaltet sich nicht trivial, da die tiefliegenden Schneefallbänder über der See häufig nicht adäquat vom Radar erfasst werden.

Damit die Küstenregionen der Ostsee von diesem Phänomen betroffen werden, benötigt es eine östliche bis nordöstliche Strömung. Bereits ab November können die Luftmassen kalt genug dafür sein. Die meisten Ereignisse dazu werden jedoch im Dezember beobachtet. Zu dieser Jahreszeit ist das Wasser der Ostsee noch relativ warm und gleichzeitig können bei einer günstigen Wetterlage bereits ausreichend kalte Luftmassen zu uns strömen. Damit wird mit Spannung auf den kommenden Winter geschaut. Vielleicht werden dann die Küstenregionen Deutschlands von diesem Phänomen wieder betroffen sein.
M.Sc. Meteorologie Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 06.11.2025 Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
Damit sich ein signifikantes Lake-Effect-Snow Ereignis ausbildet, benötigt es eine sehr kalte Luftmasse arktischen Ursprungs mit Temperaturen in 1,5 Kilometer Höhe von unter -14 Grad und eine schwach ausgeprägte Windscherung. Dabei ist vor allem die Windrichtungsänderung in der unteren Troposphäre wichtig, damit sich gut organisierte Schneefallbänder bilden können. Diese Schneefallbänder entstehen aber nur, wenn auch der See oder Ozean ausreichend groß ist. Die arktische Luftmasse braucht nämlich seine Zeit, um genügend Feuchtigkeit aufnehmen zu können, damit es in der unteren Troposphäre zu stärkerer Konvektion und zur Ausbildung der Schneefallbänder kommen kann. Deshalb ist eine Seelänge von mindestens 100 Kilometer parallel zur Windrichtung hilfreich. Außerdem ist es für große Schneemengen wichtig, dass die Windrichtung über längere Zeit konstant bleibt. Damit werden immer wieder die gleichen Küstengebiete von kräftigen Schneefällen getroffen. Befindet sich nun noch ein Gebirge auf der windabgewandten Seite des Sees, kann der kräftige Schneefall durch Staueffekte weiter intensiviert werden.

In Abhängigkeit der Windströmung ergeben sich dabei verschiedene Wolkenmuster, die in Satellitenbildern erkennbar sind. Weht ein kräftiger Wind mit einer geringen Windrichtungsänderung von weniger als 30° über eine Seeoberfläche, bilden sich zur Windrichtung parallel angeordnete Schneefallbänder aus, die lokal eng begrenzt im Küstenbereich für große Schneemengen sorgen können (Bild 1 a). Sind die Winde dagegen eher schwächer ausgeprägt, kommt es häufig im Zusammenspiel mit dem Landwind zu einer küstennahen Konvergenzlinie mit kräftigen Schneefällen, die im weiteren Verlauf auch die Küstenregion erreichen kann (Bild 1 b). Ist der Wind dagegen sehr schwach ausgeprägt und sind die Temperaturunterschiede zwischen der Seeoberfläche und 1,5 Kilometer Höhe besonders stark ausgeprägt, bildet sich ein mesoskaliger Wolkenwirbel aus, der sich im weiteren Verlauf zur Küste verlagern und dort für intensive Schneefälle sorgen kann (Bild 1 c). Diese Form ist aber bei uns sehr selten. Sie wird etwas häufiger über den Großen Seen in Nordamerika beobachtet. Dort können sehr kalte, arktische Luftmassen ungehindert nach Süden strömen. Zudem sind bei uns arktische Kaltlufteinbrüche im Winterhalbjahr auch häufig mit einer kräftigeren Strömung verbunden.

Da es sich beim Lake-Effect-Snow um ein sehr kleinräumiges Phänomen handelt und die komplexen Wechselwirkungen zwischen Ozean und der atmosphärischen Grenzschicht noch nicht vollständig verstanden sind, haben auch hochaufgelöste Vorhersagemodelle häufig Schwierigkeiten bei der Bestimmung der betroffenen Region und der Intensität eines solchen Ereignisses. Zudem gibt es über den Seen kaum Messungen, die in eine Vorhersage miteinfließen. Auch das Monitoring gestaltet sich nicht trivial, da die tiefliegenden Schneefallbänder über der See häufig nicht adäquat vom Radar erfasst werden.

Damit die Küstenregionen der Ostsee von diesem Phänomen betroffen werden, benötigt es eine östliche bis nordöstliche Strömung. Bereits ab November können die Luftmassen kalt genug dafür sein. Die meisten Ereignisse dazu werden jedoch im Dezember beobachtet. Zu dieser Jahreszeit ist das Wasser der Ostsee noch relativ warm und gleichzeitig können bei einer günstigen Wetterlage bereits ausreichend kalte Luftmassen zu uns strömen. Damit wird mit Spannung auf den kommenden Winter geschaut. Vielleicht werden dann die Küstenregionen Deutschlands von diesem Phänomen wieder betroffen sein.
M.Sc. Meteorologie Nico Bauer
Deutscher Wetterdienst
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